20'000 gute Gründe tief durchzuatmen

Hast du gewusst, dass du jeden Tag ungefähr 20'000 Atemzüge machst?
20’000!

Dein Herz schlägt sogar 5mal so oft pro Tag (+/- 100’000 Herzschläge pro Tag). Beeindruckende Zahlen, oder?
Im Gegensatz zum Herzschlag, kannst du bei der Atmung jedoch bewusst mitentscheiden, wann und wie (und bis zu einem gewissen Punkt sogar ob) du atmest.

Deine Atmung kannst du bewusst koordinieren oder unbewusst im Autopiloten bzw. durch das vegetative Nervensystem steuern lassen.
Und über etwas, was wir 20’000mal am Tag machen und sogar kontorllieren können, lohnt es sich doch auch mal bewusst nachzudenken, oder?


Bewusst oder Unbewusst? Dein Atemverhalten

Also lass uns mal nachdenken…

Wie oft du an einem Tag achtest du dich bewusst auf deine Atmung? 2mal??

Sehr wahrscheinlich, «verschwendest» du nicht viele Gedanken ans Atmen. Und das ist auch bis zu einem gewissen Punkt völlig in Ordnung. 

Es ist ein Prozess, der unbewusst und automatisch abläuft. Ansonsten wären wir wohl kaum fähig zu arbeiten oder komplexe Abläufe zu bewältigen, wenn wir jedes Mal denken müssten: okay jetzt ein, jetzt aus, Lungen bitte macht x, macht y… etc.»

 

Haben wir uns jedoch ein suboptimales Atemmuster angewöhnt, wird die Atmung plötzlich viel elementarer als wir uns das vorstellen können – eben, weil es etwas ist, dass wir 20'000 mal am Tag machen.

Wenn wir uns also z.B. Mühe geben, auf gesunde Essgewohnheiten zu achten – wobei das Essen etwas ist was wir vielleicht 3-5mal pro Tag machen – dann lohnt es sich auch mal zu schauen, wie unser «Atemverhalten» ist.


Primäre & sekundäre Atemmuskulatur

Schauen wir uns dazu zuerst mal unsere Atemmuskulatur an.



Primär

Wir haben unser Zwerchfell und die interkostale Muskulatur, die Muskeln zwischen unseren Rippen, als Hauptatemmuskeln. 

Sekundär

Es gibt dazu noch die sekundäre Atemmuskulatur und dazu gehört die Brustmuskulatur (Pectoralis), die Nacken und Schultermuskulatur, und unsere Bauchmuskeln (besonders für die Ausatmung)

Zudem spielt sich der Atemvorgang natürlich wie so oft im Körper in einem komplexen Zusammenspiel von vielen weiteren Zusammenhängen ab. So ist zum Beispiel auch der Beckenboden ein wichtiger Mitspieler, wenn es um das Drucksystem geht, dass im Körper besteht. 

Doch was weisst das genau? Primär und Sekundär?

Primär, also quasi als Hauptakteure, sollten wir mit unserem Zwerchfell und der Ausweitung des Rippenbogens arbeiten, um die Luft in die Lungen zu ziehen. 
Die Sekundäre Atemmuskulatur dient uns dazu bei Bedarf mehr Atmen zu können: also zB wenn du rennst, Sport machst etc. Das ist die Verstärkung, das Support Team für die Hauptakteure, wenn es mehr Arbeit gibt.

 

Warum die Atmung so wichtig sein kann

Hallo Zwerchfell?? Bist du da???
Oder: Atmest du tief genug?

Leider ist es so, dass ganz viele von uns im Alltag NICHT mit dem Zwerchfell, einem unserer primären Atemmuskeln, atmen.
Das kann viele Gründe haben: wir haben es schlichtweg verlernt, unsere Hose sitzt zu eng und den Bauch müssen wir sowieso immer schön einziehen…

Und selbst wenn es nichts davon ist, dann gibt es da auch noch den “Bösewicht der westlichen Gesellschaft”: STRESS! 

Besonders beim Thema Stress ist es meiner Meinung nach auch ein bisschen eine Huhn&Ei Frage: führt das hohe Stresslevel zu weniger Zwerchfellatmung, oder reagiert der Körper auf die zu hohe Atmung mit der Ausschüttung von Stresshormonen?

 

Über die Gründe könnten wir noch viel ausführlicher sprechen.
Worauf ich hier aber noch eingehen möchte, sind die Folgen die diese vermeintlich falsche Atmung hat:

  • Verspannungen im Nacken, Schulter und Brustbereich.      

  • Diese Verspannungen können z.B. zu Kopfschmerzen führen.

  • Evtl. spürst du eine Art Enge im Brustkorb oder hast das Gefühl nicht mehr richtig atmen zu können, was sehr unangenehm ist und z.T. auch Angstzustände auslösen kann.

  • Wir verschlechtern unsere Sauerstoffversorgung, da zu wenig Luft bis nach unten zu den Alveolen kommt (dort wo der Sauerstoff ins Blut über geht) und wie du weisst, ist die Lunge ja auch ein Teil von unserem Herz-Kreislaufsystem. Der suboptimale Austausch der Atemgase kann sich also auch negativ auf die Arbeit, die ein Herz leistet bzw. das gesamte Cardio-vaskuläre System auswirken. 

  •  Zuletzt kann eine zu oberflächliche Atmung (also ohne das Zwerchfell) auch deine Verdauung beeinflussen oder sogar beeinträchtigen. Denn: wenn dein Zwerchfell seine Arbeit machen kann, gibt es eine regelmässige Massage für alle Organe im Bauchraum. Das hilft der natürlichen Tätigkeit vom Darm.

Und daraus schliessen wir:

Wenn wir uns jetzt anschauen, dass sowohl Stress, wie auch Verdauungsprobleme, Bluthochdruck und Herzkreislauf-Störungen, Spannungskopfschmerzen etc. wahre Zivilisationskrankheiten sind, dann wird es doch höchste Zeit, dass wir unserer Atmung mehr Aufmerksamkeit geben.

Es sind schliesslich 20'000 Chancen pro Tag, etwas gutes für deine Vitalität zu tun ;-)

 


Quick-Fix für die Atmung

Was du schnell und unkompliziert umsetzen kannst:

  1. Lerne dein Zwerchfell zu aktivieren

Atme dafür tief bis nach unten in den Bauch.
Hä? In den Bauch atmen? Die Luft geht ja nur bis in die Lungen, wie soll ich denn meinen Bauch mit Luft füllen? Sie schlucken??

Naja, dieses “Tief bis nach unten in den Bauch atmen” ist natürlich nicht ganz wörtlich gemeint.

Wenn du aber spürst, dass sich deine Bauchdecke mit der Ein- und Ausatmung hebt und senkt, dann ist das ein guter Indikator dafür, dass du mit deinen primären Atemmuskeln atmest und dass dein Zwerchfell arbeitet.

Starte hier erstmal mit aufmerksamer Beobachtung. Achte dich ein auf ein paar mehr dieser 20’000 Atemzüge ;-) Wie wärs mit einem kleinen Wecker um 11 Uhr und 15.30 Uhr nachmittags, der dich an eine kurze Atempause erinnert? Einfach mal die Hände auf den Bauch legen und tief nach unten atmen.

Ein paar mehr Details dazu, wie du dein Zwerchfell beobachten und mehr aktiveren kannst:

Wenn du einatmest, zieht sich das Zwerchfell zusammen (der Muskel kontraktiert) und schiebt damit die Bauchorgane nach unten. So wirkt es ein bisschen wie ein Vakuum auf die Lungen, die somit leichter die Luft tiefer ins Gewebe ziehen können. Alles, was sich zwischen deinem Zwerchfell und dem Beckenboden befindet, wird damit nach unten geschoben - damit es eben diesen Platz für die expandierenden Lungen gibt. Deine Bauchdecke habt sich (wenn du sie lässt) und gefühlt atmest du in den Bauch.

Beim Ausatmen dekontraktiert das Zwerchfell, der Atemmuskel entspannt sich also. Das entspannte Zwerchfell wölbt sich nach oben, schiebt sich so wieder an die Lungenflügel und hilft ihnen so mehr Luft wieder raus zu lassen. So gibt es wieder mehr Platz für die Bauchorgane. Besonders wenn du im Liegen atmest, kannst du hier dann gut beobachten, wie die Bauchdecke nach unten in Richtung Boden sinkt.

Interessanterweise, atmen viele Menschen “paradox”, oder nehmen die Atmung zumindest paradox wahr: Einatmen = Baucheinziehen, Ausatmen = Locker lassen. Das geht aber gegen “die Anatomie des Zwerchfells” und es kann gut sein, dass du hier sehr flach und vor allem mit der sekundären Atemmuskulatur atmest.

Möchtest du mehr darüber erfahren? Ich habe ein tolles Angebot für dich: “Sitzen & Atmen” Yoga online Workshop am 27.02.22!

  1. Ausatmung verlängern - Stress reduzieren

Wie ich erwähnt habe - und vielleicht hast du das auch schon bei dir selbst beobachtet - Stress kann eine grosse Auswirkung auf unsere Gesundheit ganz generell, aber auch speziell auf unsere Atmung haben.

Umgekehrt, kann das bewusste ansteuern der Atmung jedoch auch einen grossen Effekt auf unser Stresslevel haben: Durch eine verlängerte Ausatmung kannst du den Teil deines vegetativen Nervensystems ansteuern, der für den Entspannungsmodus im Körper zuständig ist (Parasympathikus).

Dafür brauchst du gar keine besondere Atemtechnik. Versuche einfach die Ausatmung länger werden zu lassen, als die Einatmung. Zähle dafür am besten mal auf 4 beim Einatmen, auf 4 beim Ausatmen und versuche nach ein paar Runden die Ausatmung auf 5, dann auf 6 und später vielleicht sogar auf 7 oder 8 zu verlängern (1:2 Verhältnis von EIN zu AUS ist dann sehr effektiv um dich relativ rasch zu entspannen).