Ach Yoga, du bist mir so (para-)sympathisch: Yoga & unser Nervensystem

Manchmal liegen die Nerven blank…

Da nervt dich das Leben, der Alltag, der zwitschernde Vogel auf dem Baum oder dass die Sonne eben grad genau so durchs Fenster scheint, dass sie genau dich stört - das macht die extra, die blöde Sonne *hmpf*.

Alles ist gegen dich, alles nervt!

Du bist gestresst, gehetzt, genervt, gereizt…. oioioi!

Doch so wollen wir uns gar nicht fühlen!
So wollen wir nicht durch unser Leben gehen.
Wir wollen gelassen, lebensfroh, neugierig und offen unser Leben erleben - nicht erdulden. 

Da kommt Yoga genau richtig.

Eine Yogapraxis kann uns helfen mal wieder schön zu entspannen, raus aus dem Kopf und rein in den eigenen Körper zu kommen. Dabei geht das, was nervt, nicht einfach so weg. Aber wir bekommen etwas Abstand dazu und merken, dass es uns nicht definiert.

Wir lernen in der Yoga Praxis zum Beispiel, dass wir in einer "unmöglichen” Verdrehung eben doch unseren Fokus behalten und unser Atem fliessen lassen können. Ist es herausfordernd? Ja. Wird es von heute auf morgen leichter? Wahrscheinlich nicht. Und doch weisst du: es wird vorbei gehen.

Wir finden in der Bewegung auch Stille, im Koordinieren auch Konzentration, in der Kraft auch Entspannung.

Echt total sympathisch das Ganze mit dem Yoga, findest du nicht auch?
Ich finde es sogar sehr parasympathisch!

Weisst du was ich meine, oder nicht so recht?

 

Das, worüber ich heute hier schreiben möchte, hat nicht viel mit Sympathien zu tun.
Viel mehr mit unserem Nervensystem.

Unser Nervensystem

Unser Nervensystem ist wie jedes System bzw. fast alles in unserem Körper sehr komplex und mit allem anderen im Zusammenhang zu betrachten. Es hängt ja alles was in unserem Körper geschieht auf die eine oder andere Art zusammen.

Wollen wir aber einen etwas genaueren Blick aufs Nervensystem werfen, dann können wir uns folgende zwei Unterteilungen anschauen: eine nach der Funktion und eine gemäss dem Aufbau bzw. der Struktur, wie es im Körper zu finden ist.

 

Wie unser Nervensystem aufgebaut ist

Schauen wir uns erst einmal die strukturelle Unterteilung an:

  • Unser Hirn und das Rückenmark als Verlängerung des Hirns bilden das Zentrale Nervensystem (ZNS).

  • Alle Nervenbahnen und Verknüpfungen die daraus in den Körper gehen bilden das Periphere Nervensystem, kurz PNS.
    (Nicht im Zentrum sondern in der «Peripherie» = Umgebung).

  • Zum PNS zählen 12 Hirnnerven, die vor allem für die Bewegungen des Kopfes sowie die meisten Sinneswahrnehmungen zuständig sind, und 31 Spinalnerven-Paare, die entlang vom Rückenmark jeweils paarweise in den Körper hinaus gehen.

  • Ganz generell kann man sagen, dass wir haben sowohl Nervenverbindungen haben, die vom Körper zum Hirn (afferent = sensorisch) Signale senden und solche, die vom Hirn zum Körper (efferent = motorisch) kommunizieren.

So da hab ich mal einen Haufen Wörter in den Raum geworfen. Du darfst das gerne einfach mal so auf dich wirken lassen.
Irgendwo hast du das vielleicht schon mal gehört, vielleicht ist es zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Auch okay ;-)

Zudem haben wir auch im Bauch bzw. im Verdauungstrakt eine grosse Verdichtung von Neuronen, die das Darmnervensystem bilden. Das wird jedoch meist erst bei der zweiten Unterteilungsart, der funktionellen Einteilung des Nervensystems, genannt.

 

Lass uns also nun die Aufteilung nach der Funktion anschauen:

  • Einen Teil unseres Nervensystems können wir bewusst kontrollieren & koordinieren: wir können entscheiden und willentlich ansteuern, ob, wann und wie sich unser Arm bewegen soll. Das ist das somatische Nervensystem. Dieser Teil der Nerven verläuft dann besonders in und um die Skeletmuskulatur - es sendet Impulse zu allem, was wir fürs Bewegen brauchen.

  • Dann haben wir den Teil, den wir nicht willentlich ansteuern können (oder nur bis zu einem winzig kleinen Teil - dazu später mehr). Hier läuft alles völlig autonom ab und wir können und müssen unserer Leber keine aktiven Befehle geben, dass die Nerven dort Signale hinsenden und die Leber dann ihre Arbeit tut. Das ist unser vegetatives Nervensystem (VNS), das besonders unsere Organe nervt… äh ich meine “innerviert”.

Im VNS wird dann nochmals unterschieden. Damit kommen wir auch jetzt zu dem Teil, der mir so (para-)sympathisch ist.

Bauchgefühle, Leistungsschub und Entspannungs-Schalter

Das Vegetatives Nervensystem wird nochmals in 3 Bereiche aufgeteilt:

Verbindungen des Eingeweide - Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) zu den Rückenmarksnerven. Aus: Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Bd.III, Stuttgart 2006.

  1. Sympathikus = Aktivierung und Leistung : Die Aufgaben vom Sympathikus werden oft mit “FIGHT or FLIGHT” umschrieben. Dieser Teil des Nervensystems bringt uns in Leistungsbereitschaft, falls wir vor einer bedrohlichen Situation fliehen (flight) oder sie bekämpfen (fight) müssen. Auf unseren Körper übersetzt heisst das dann, dass z.B. dein Herz schneller schlägt und der Blutdruck erhöht wird, damit die Muskeln besser durchblutet werden, die Atmung schneller wird, die Niere/Nebennierenrinde angeregt wird (Stresshormone werden produziert), die Haut produziert Schweiss etc.

  2. Parasympathikus = Entspannung und Verdauung: Der Parasympathikus ist der Stromspar- & Akku-Lade Schalter unseres Körpers in einem. Hier heisst es “REST and DIGEST” also ausruhen und verdauen. So wirkt der Parasymphatikus auf alles, was ich oben genannt habe gerade gegenteilig: Puls und Blutdruck sinken, die Atmung wird ruhiger und jetzt wird die Verdauung gefördert (die wird beim Kampfmodus nämlich unterdrückt) und die Bauch- und Geschlechtsorgane Rücken mehr in den Fokus.

  3. Enterisches Nervensystem = Darmnervensystem mit einer riesigen Menge an Neuronen (mehr Nervenzellen als im Rückenmark!), es wird vom Körper und auch dem Sympathikus & Parasympathikus beeinflusst, kann aber auch völlig selbstständig funktionieren. Es wird deshalb auch unser Bauchgehirn genannt.

 

Balance ist alles

Idealerweise sind Sympathikus und Parasympathikus in einem schönen Gleichgewicht. Das wird dann mit Homöostase bezeichnet: ein Zustand im Körper in dem alles schön ausgeglichen ist (so z.B. der Blutdruck, pH-Wert, Hormone, etc.).

Schauen wir uns jedoch die Tendenz in unserer Gesellschaft an, ist eine deutliche Dysbalance zu erkennen: bereits ein “normaler Alltag” kann viele Stress-Reize mit sich bringen (Termine im Büro, Leistungsdruck, Soziale Erwartungen, Reizüberflutung, ständige Stimulation etc.) und lässt sehr wenig Entspannung zu.

Die deutlichen Beweise oder Hinweise darauf sind unsere Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Verdauungsprobleme und - Beschwerden, Stoffwechselkrankheiten, und stressbedingte Langzeitschäden.

Hinzu kommt, dass wir eine Stressreaktion nicht wirklich zu Ende bringen bzw. auflösen können (Kämpfen oder Wegrennen sind meist keine gesellschaftlich geduldeten Reaktionen). Lösen wir die Anspannung also nie wirklich auf, sind wir “chronisch” gestresst.

 

Yoga und der Parasympathikus

Ausgleichen statt ausbrennen!

Da kommt uns Yoga ja genau richtig! Denn in der Yogapraxis kennen wir einige gute Tricks, um unser Nervensystem zu regulieren und einen Ausgleich zum stressbedingten Sympathikus-Hoch zu finden.

Und das ist auch ein sehr guter Grund, Yoga für dich zu entdecken oder zu üben, denn sonst sind wir…
… vom leben genervt.
… reisst uns der Alltag den letzten Nerv raus.
… liegen unsere Nerven ständig blank!

“Was willst du mir hier eigentlich sagen, Isabel?”

Wenn du dir bis hierhin also gedacht hast: “Okay, Isabel, alles schön und gut, aber warum sollte ich das alles überhaupt wissen? Was bringt mir das gerade für mein Leben?”

Es bringt dir etwas, falls du dir auch schon mal gedacht hast, dass dich dein Alltag einfach irgendwie “krank” macht. Nicht im Sinne einer wirklich diagnostizierbaren Krankheit, sondern so eine Art tiefe Unzufriedenheit. Es fehlt dir eigentlich nichts, und doch fühlst du dich hohl und unwohl… in deinem Körper, in deinem Beruf, in deinem Alltag… you name it!

Wir können in unserer Gesellschaft so schnell in dieses «Fahrwasser» kommen, dass wir uns eigentlich nie so wirklich richtig gut, nie voller Freude, nie wirklich zufrieden, selbstbestimmt, erholt oder fröhlich fühlen. 

Finden wir dann diese wenigen Stunden pro Abend /Wochenende / Urlaub, die wir gerade nicht von einem Ding ins nächste hetzten, dann “kompensieren” wir oder betäuben wir uns lenken uns von all dem Stress ab. Ist das dann wirklich Erholung und Entspannung oder einfach die «Fussfessel» bzw. Stopp-Taste unseres Körpers, der uns Signale gibt, dass es Zeit wird etwas zu ändern?

 

Die «Ja ich möchte ja gerne, aber…» Falle

Wollen wir dann etwas ändern, haben wir oft das Gefühl, dass wir das nicht können. Es fehlt uns dann an Zeit, an Möglichkeit, an Priorität, an «Freiheit» und an vielem anderen. Doch lass es uns doch mal etwas anders sehen…

Haben nicht gerade wir, die so unglaublich privilegiert in Sicherheit, in Wohlstand, in Freiheit und in Fülle leben können eigentlich eine Pflicht, die beste Version von uns zu sein? 

Nicht im Sinne eines «Selbstoptmieriungswahn» oder einer überheblichen Philanthropie heraus- sondern in dem Sinn, dass wir jede Voraussetzung haben (könnten), die es braucht, um ein Leben in Erfüllung, Freude, Mitgefühl, Liebe, Gesundheit und Zufriedenheit zu führen. Nicht jeder hat diese Chancen und wir sollten sie nicht an Selbstzweifel, Neid, Zerstörung, Kampf und Mangel heraus vergeuden.

Nehmen wir doch dankbar die Chancen, an die wir haben, packen sie beim Schopf und machen das Bestmöglich daraus. Denn wenn wir die bestmöglichen Menschen sind, die wir sein können, holen wir das Beste aus uns heraus, und können all unsere Fähigkeiten und Schöpferkraft auch für Dinge einsetzen, die anderen helfen, andere weiterbringen, anderen mehr Chancen geben können. 

 

Finde den Entspannungs-Schalter in deinem Körper

So nun aber wirklich zu den Parasympathikus-Tricks, die wir aus der Yoga-Kiste zaubern können.

Pranayama: Ja, mamma! 

Die Atmung ist der einzige Zugang, den wir zu unserem vegetativen Nervensystem haben, denn sie können wir bis zu einem gewissen Teil mitsteuern und kontrollieren. Sie spielt also auch eine seeeeeehr grosse Rolle, wenn wir uns in den parasympathischen Zustand bringen wollen: Entspannung kannst du dir mit der richtigen Atemtechnik also quasi auf Knopfdruck holen.

Atme dafür z.B. einfach nur schon länger aus als du einatmest. Versuche auch ganz tief bis ins Zwerchfell hinein zuatmen (die Bauchdecke hebt sich dabei beim Einatmen an, und senkt sich beim Ausatmen). 

 

Ooooooooohmmmmm-mann ist das clever!

Jap, der OHM Ton kommt nicht von irgendwo: mit der Virbration, die wir damit im Körper erzeugen, stimulieren wir den VAGUS NERV
DAS ist der wahre “Wunderknabe”, wenn es ums Nervensystem und die Entspannung bzw. alles parasympathische geht.

Das ist der 10.Gehirnnerv – davon habe ich dir oben schon mal etwas erzählt – und er «wandert» (daher auch der Name «vagus» = wandernd (lat.)) ohne grosse Zwischenschaltung zu sämtlichen Organen und eben auch an den Stimmbändern vorbei.

Nur schon ein Summen, egal ob mit oder ohne ohm, wirkt beruhigend auf unseren Körper. 

Übrigens: Weitere VAGUS-Häcks sind zum Beispiel auch lautstarkes Singen (nicht nur mildes summen), Selbstmassage entlang des Hals-/Schlüsselbeinbereichs, ebenso wie Drehungen des Kopfs, auch mal Gegenstände in der Ferne mit den Augen fokussieren (Die Stimulation von Nerven, wie dem Sehnerv, regen auch den in der Nähe liegenden Vagusnerv an) und z.b. Kaltes duschen!

 

Lass es raus!

Bewegung hilft dir, Stress abzubauen. Einfach mal Dampf ablassen und all diese angestaute Stress-Energie rauslassen! 

Wenn du schon mal eine verschwitzt-intensive Yogastunde gemacht hast, weisst du dass das eben auch Yoga ist wenn wir mal so richtig einheizen, Kraft, Balance, Koordination üben uns mal unseren Alltag schön auf den Kopf stellen (zum Teil wortwörtlich). Dann spürst du so richtig schön dein Körper. Und das ist doch ein tolles Gefühl, nicht? Nehmen wir unsere Energie und Vitalität nicht vor allem durch und dank unserem Körper wahr? 

Ja, da sind wir dann im Symphatikus, also in der Aktivierung. Doch darin liegt ja eben das Geheimnis der Balance und Ausgeglichenheit: es braucht beides und wir können so wieder mehr ein Gefühl bekommen, was wir gerade brauchen.

Wir lernen wieder hinzuhören und können so mehr und mehr unserem Körper wieder das geben, was er braucht, damit er für unseren Geist das bestmögliche Zuhause sein kann. 

((Natürlich, gibt es dann noch eine riesige Palette an Entspannungsübungen im Yoga, die Balsam für unsere Nerven und super parasympathisch sind. Ich wollte für diesen Zweck einfach diesen Punkt auch noch hervorheben, um dir zu zeigen, das eben ganz viel im Yoga Platz hat.))

 

So jetzt verrate mir doch mal: habe ich einen NERV getroffen mit diesem Input hier? Brauchst auch du mehr Entspannung und Parasympthisches in deinem Leben?

Oder hast du Fragen und Rückmeldungen dazu? Schreib mir doch hier mal einen Kommentar oder direkt eine Mail an hello@isabelsyoga.ch








Isabel Burgener